Auf welche Vertriebsarten ein Unternehmen setzt, kann erfolgsentscheidend sein.
Laut einer Studie des deutschen Handelsverbands haben vierzig Prozent der Einzelhändler während der Pandemie ihre Vertriebswege digitalisiert, um weiter Umsatz zu machen. Gleichzeitig geraten Unternehmen, die nur an gewohnten Vertriebswegen festhalten und bei der Umsetzung neuer Strategien zögern, zunehmend ins Hintertreffen.
Als Vertriebsmanager oder Vertriebsleiterin müssen Sie genau verstehen, mit welchen Vertriebsarten und über welchen primären Vertriebskanal das Unternehmen seinen Erfolg langfristig sichern kann. Deshalb haben wir in diesem Artikel die wichtigsten Optionen zusammengestellt und miteinander verglichen.
Vertriebsarten werden auch als Vertriebswege, Absatzwege, Distributionswege oder Marktkanäle bezeichnet. So oder so umfassen die Vertriebsarten mehrere Ebenen, die als Glieder in der Absatzkette betrachtet werden können.
Hierunter fallen sowohl Marketing und Kundenkommunikation als auch die Abwicklung von Bestellvorgängen und die Logistik. Vertriebswege sollten als Einheit gedacht werden bzw. als ein eng verzahntes System, was in der Lage ist, alle Aufgaben in sämtlichen Gliedern der Absatzkette zu erfüllen.
Die Digitalisierung von Einzelprozessen und kompletten Vertriebsarten verändert dabei das Gesamtbild stetig. Neue Ansätze wie Agile Sales erweitern dies zusätzlich.
Einzelne Glieder der Absatzkette sind:
Akquise: Interessenten und Leads werden generiert
Verkaufsförderung: Alle Maßnahmen, die den Abschluss eines Deals erleichtern
Distribution: Logistik, Lager, Versand
Nacharbeit: Service, Bearbeitung von Retouren
Akquise und Verkaufsförderung finden am besten in sehr enger Verzahnung von Sales und Marketing statt. Auf welche Weise diese und andere Einzelprozesse umgesetzt werden, hängt von den gewählten Vertriebsarten ab.
Die Auswahl der Distributionswege knüpft hier an und ist eine weitreichende Entscheidung mit hoher strategischer Relevanz. Die Auswahl der Vertriebsarten folgt direkt aus der Vertriebsstrategie. Entscheidende Faktoren sind die Vertriebsziele, das Produktportfolio und die Zielgruppe.
Dabei sollten Unternehmen mehrere übergeordnete Ziele miteinander in Einklang bringen:
hoher Absatz durch Sichtbarkeit und einfache Verfügbarkeit
hohe Umsatzrentabilität und Wettbewerbsfähigkeit durch Kostenoptimierung im Vertrieb
hohe Kontrolle über die Preispolitik und die Darstellung der Marke beim Kunden
hohe Kundenbindung und umfangreiche Daten zur Zielgruppe durch möglichst direkten, unvermittelten Kundenkontakt
Viele verschiedene Wege können zu diesen Zielen führen. Selten ist eine Vertriebsart eindeutig allen anderen Optionen überlegen. Die meisten größeren Unternehmen diversifizieren ihre Vertriebswege für hohe Risikostreuung und größere Marktabdeckung.
Gleichzeitig ist es sinnvoller, wenn Sie sich auf eine bestimmte Auswahl konzentrieren, in der Sie Exzellenz erreichen, statt sämtliche Kanäle mit unterdurchschnittlicher Performance zu bedienen. Klarheit in der Strategie hat oberste Priorität. Vor allem jungen Unternehmen ist zu raten, sich auf den Vertriebsweg mit dem größten Potential zu konzentrieren und dort den Verkauf zu optimieren.
Bei der Gegenüberstellung der Vertriebsarten offenbart sich ein grundlegender Unterschied zwischen Direktvertrieb und indirektem Vertrieb. Das ist die erste Entscheidung, die Sie aus Ihrer Marketingstrategie heraus treffen.
Grafik inspiriert von einem Schaubild in „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre: Umfassende Einführung aus marktorientierter Sicht”
Direktvertrieb bedeutet, dass der Kontakt zwischen Hersteller und Kunde ohne zwischengeschaltete, betriebsfremde Akteure stattfindet. Das Eigentum an den Produkten liegt bis zur Übergabe an den Kunden beim Hersteller.
Dafür muss das Unternehmen die gesamte Kette mit betriebseigenen und gebundenen Fähigkeiten abdecken. Je nach Branche betreiben Sie ein Filialnetz mit eigenem Personal oder ein Vertriebsteam, das persönlich Ihre Kunden in allen Einzugsgebieten bedient. Nur Zusatzleistungen wie Beratung oder Design werden über externe Dienstleister eingekauft.
Vorteile
Sie haben viel Kontrolle, können sich wirkungsvoll als regionaler oder lokaler Akteur präsentieren und persönliche Netzwerkeffekte nutzen.
Nachteile
Die Nachteile sind hohe Fixkosten für umfangreiches Personal und verschiedene Standorte. Diese Vertriebswege sind komplex und dadurch nicht so leicht skalierbar.
Im indirekten Vertrieb erfolgt ein großer Teil des Absatzweges über Zwischeninstanzen, die das Eigentum an den Produkten übernehmen. Über den Verkaufsprozess entsteht kein direkter Kontakt zwischen Hersteller und Endkunde.
Dafür sucht ein Unternehmen Handelspartner. Vor der Übergabe an den Endkunden sind oft mehrere Großhändler und Zwischenhändler beteiligt.
Vorteile
Die Vorteile sind ein enorm erweitertes Einzugsgebiet, geringe Fixkosten und Risikostreuung durch mehrere Partner. Da jederzeit neue Partner hinzukommen können, sind solche Modelle sehr gut skalierbar.
Nachteile
Nachteile sind die geringe Kontrolle und der fehlende Kontakt zum Endkunden als relevante Zielgruppe. Ein zentraler Aspekt ist, dass jede Zwischeninstanz eine eigene Marge beansprucht und damit der Gewinnanteil am Endverkaufspreis für den Hersteller sehr gering werden kann. Deshalb lohnen sich indirekte Vertriebswege erst, wenn der Absatz eine bestimmte Größenordnung erreicht. Durch die hohe Skalierbarkeit bei geringem Wachstum der Fixkosten können sie dann dem direkten Ansatz aber massiv überlegen sein.
Kombinationen von direkten und indirekten Vertriebswegen sind möglich und in vielen Branchen sogar typisch. Beispiele sind Factory Outlets und Brand Stores im Modebereich oder der Vertrieb von Markenartikeln über den eigenen Onlineshop parallel zum Angebot im Fachhandel und in fremden Onlineshops.
Im Folgenden werden wir, ausgehend von den Oberkategorien direkter Vertrieb – indirekter Vertrieb, einen Zoom ins Detail vornehmen und die einzelnen Unterkategorien dieser Vertriebsformen näher untersuchen.
Indirekter Vertrieb über Großhandel und Zwischenhändler
Direktvertrieb mit Außendienst und Handelsvertretern
Direktvertrieb über Telefon und Email
E-Commerce und Online-Direktvertrieb
stationärer Präsenzhandel und Filialvertrieb
Vertrieb als Franchise
Strukturvertrieb und Multi-Level-Marketing
Im typischen indirekten Vertrieb verkaufen Sie Ware an den Großhandel und spezialisierte Zwischenhändler. Diese vertreiben die Ware mit Aufpreis weiter an den Fach- und Einzelhandel. Typisch ist diese Vertriebsart vor allem im B2C-Geschäft.
Der Verkauf an den Endkunden erfolgt über Fachmärkte, Einzelhändler, Onlineshops, Handelsplattformen wie Amazon oder ebay und auch im Affiliate-Marketing.
Beispiele:
Versicherungen vermittelt durch Makler
Bei diesem Vertriebsweg besorgt das eigene Team Kontakte, die aktiv zu Leads, Opportunities und Deals konvertiert werden. Dabei spielen die angestellten oder vertragsgebunden Handelsvertreter im Außendienst die Hauptrolle. Sie besuchen Kunden und Interessenten im Vertriebsgebiet vor Ort.
Persönliche Ansprechpartner und Key-Account-Manager sind in ihrer Branche sehr gut vernetzt, halten engen Kontakt zu wichtigen Kunden und verschaffen sich dabei ein genaues Bild über den Bedarf und die Absatzmöglichkeiten.
Im B2C-Bereich entspricht das dem Haustürgeschäft. Im B2B-Vertrieb ist die Anbahnung des persönlichen Kontakts über Vor-Ort-Termine, Messen und Netzwerkveranstaltungen nach wie vor ein zentraler Vertriebsweg und wird meist mit digitalen Vertriebsarten kombiniert.
Beispiele:
Versicherungen über gebundene Versicherungsvertreter
Auch die Neukundenakquise über Telefon und E-Mail ist eine Form des Direktvertriebs. Sie wird oft als Teil eines Vertriebskonzepts mit anderen Vertriebsarten kombiniert. Die Vorschriften der DSGVO und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb schränken die Kaltakquise massiv ein. Das vorherige Einholen einer Einwilligung ist zwingende Voraussetzung für diese Vertriebsart.
Beispiele:
Mobilfunkanbieter
Vertrieb von Beratungen, Coachings und Trainings
Der Onlinehandel erlebt seit Jahrzehnten ein extrem starkes Wachstum. Dabei kann der Wandel eine Bedrohung, aber auch eine Chance für den klassischen Einzelhandel sein.
Onlineshops erreichen sehr einfach und mit extrem geringen Fixkosten ein großes Einzugsgebiet. Die Herausforderung ist eine enorme Konkurrenz, die nur einen Klick weit entfernt ist. Die Disziplinen des Onlinemarketings wie Online-Advertising, SEM (SEO und SEA) und Social-Media-Marketing sind für den Onlinevertrieb von entscheidender Bedeutung.
Beispiele:
Der Filialvertrieb im stationären Präsenzhandel ist die klassische direkte Vertriebsform. Der Kontakt zwischen Anbieter und Kunde findet an einem physischen Ort statt, den der Anbieter dafür betreibt. Vorteile sind hier eine hohe Sichtbarkeit vor Ort und die starke Einbindung ins lokale Umfeld. Das bietet vielfältige Möglichkeiten für die Kundenbindung und umfassende Ansatzpunkte zur Vertiefung der Kundenbeziehung. Entscheidende Nachteile sind jedoch hohe Fixkosten und die lokale Begrenzung des Einzugsgebiets.
Beispiele:
Im Franchise nutzen interessierte Partner für eine Gebühr die Marke und das Geschäftsmodell. Dabei ist jede Franchise-Einheit wirtschaftlich unabhängig. Große Vorteile sind das einheitliche Brandbuilding und hohe Synergieeffekte bei Bestellmengen, Eigenmarken, Marketing und Werbung. Für das Unternehmen selbst ist das Risiko gestreut, allerdings bleibt auch ein großer Teil der Gewinne bei den Franchisenehmern.
Beispiele:
Eine Sonderform des indirekten Vertriebs ist das Multi Level Marketing. Hier werben Vertreter ein eigenes Team an und erhalten einen Anteil des Umsatzes, den die Teammitglieder erwirtschaften. Diese versuchen wiederum, eigene Vertriebsteams aufzubauen. Meist ist das nur für die obersten Stufen attraktiv.
In Deutschland wird Strukturvertrieb oft kritisch gesehen, weil die Abgrenzung zu unseriösen und illegalen Schneeballsystemen von außen manchmal nicht eindeutig ist. Auch Werbung im persönlichen Umfeld wird nicht gern akzeptiert. Es gibt aber auch sehr gut etablierte, seriöse und anerkannte Unternehmen, die diese Vertriebsart einsetzen.
Beispiele:
Die Zahl der Vertriebswege und der möglichen Kombinationen ist enorm. Verschiedene Geschäftsmodelle und Branchen können mit Konzepten erfolgreich sein, die in anderen Bereichen scheitern. Die effektive Nutzung digitaler Kanäle ist allerdings so gut wie immer unausweichlich. Was für Sie die beste Wahl ist, ergibt sich aus einer schlüssigen und lückenlosen Vertriebsstrategie.
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