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Ankereffekt: Wie Sie mit einem simplen Trick mehr verkaufen

Ankereffekt

Der älteste bekannte Mensch, der jemals gelebt hat, war die Französin Jeanne Calment. Sie wurde 122 Jahre alt. Wie alt wurde Jean-Jacques Rousseau? Der Ankereffekt greift genau in diesem Moment und sorgt dafür, dass Sie Rousseaus Alter vermutlich höher einschätzen als es eigentlich war. Denn das Gehirn nutzt die bekannte Zahl unterbewusst als Orientierungspunkt.

Dieses psychologische Phänomen scheint auf den ersten Blick vielleicht irrelevant. Sie können den Ankereffekt allerdings sehr gewinnbringend im Verkauf nutzen. Wir zeigen Ihnen, wie.


Was ist der Ankereffekt?

Beim Ankereffekt – auch Ankerheuristik oder Anpassungsheuristik genannt – handelt es sich um eine kognitive Verzerrung, die Menschen in ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst. Der Ankereffekt sorgt unterbewusst dafür, dass sich Menschen sehr stark auf die ersten Informationen verlassen, die sie bekommen und diese als Orientierung für folgende Entscheidungen nutzen.


Der Ankereffekt in der Psychologie

Als Entdecker des Ankereffekts gelten die US-amerikanischen Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky. Sie beschrieben ihn zum ersten Mal ausführlich in den 1960er Jahren. 1982 folgten mit ihrem Buch „Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases” tiefere Erkenntnisse aus der Kognitionspsychologie.

Was wir heute über den Ankereffekt wissen:

  • Er ist einer von vielen verschiedenen kognitiven Verzerrungen, die in Entscheidungssituationen greifen.

  • Als Heuristik ist er für unser Gehirn eine Art Abkürzung, damit wir unseren Alltag schneller, leichter und sicherer bewältigen können. Statt über jede kleine Entscheidung aktiv nachzudenken, konfrontiert unser Gehirn uns nur mit den Fragen, die es als sehr wichtig bis existenzentscheidend erachtet.

  • Der Ankereffekt läuft komplett unterbewusst ab.

  • Er wirkt auch dann, wenn Menschen ihn kennen und auf seinen Effekt achten. Das fanden die Psychologen Adrian Furnham und Hua Chu Boo heraus.

  • Die Informationen, die als Ankerpunkt dienen, müssen nicht unbedingt mit dem Thema zu tun haben. Sie können völlig willkürlich sein.

Anker werden im Alltag ständig gesetzt, oft unbewusst. Dabei greift das sogenannte Priming: Menschen ziehen selbstständig Informationen aus ihrer Umgebung heraus und verwenden diese als Orientierungspunkt.

Kahneman und Tversky demonstrierten diesen Effekt anhand eines Glücksrades. Die Probanden sollten erst an dem Rad drehen und dann schätzen, wie viele Staaten es in Afrika gibt. Je höher die Zahl auf dem Glücksrad, desto höher wurde die geschätzte Zahl der Staaten.

Ein Anker kann jedoch auch ganz bewusst gesetzt werden – und genau das können Sie sich im Vertrieb zu Nutze machen.


Der Ankereffekt im Alltag: Ein Beispiel

Der Ankereffekt begleitet uns im Alltag täglich. Meistens in Form von Zahlen, aber er greift auch in anderen Bereichen. Denken Sie an unser Einstiegsbeispiel: Die Französin Jeanne Calment wurde 122 Jahre alt. Wie alt wurde Jean-Jacques Rousseau?

Rousseau haben wir nicht zufällig als Person ausgewählt. Unser Hirn bekam die Information „Französin” und lieferte unterbewusst flink einen weiteren Franzosen. Um Sie nicht weiter schmoren zu lassen: Rousseau wurde 66. Haben Sie richtig geschätzt?

Ein weiteres Beispiel können Sie beobachten, wenn Sie einkaufen gehen und ein Rabattschild an einem T-Shirt sehen. Sie sehen den Originalpreis von 60 Euro und denken: „Puh, ganz schön teuer.” Dann sehen sie den Hinweis „50 Prozent Rabatt” – und schon kommt Ihnen der Preis weniger hoch vor und der Kauf verlockender. Der Grund ist, dass Ihr Gehirn mit Vergleichswerten arbeitet und den Preis anhand dieser zuvor registrierten "Anker" anders einschätzt.


Der Ankereffekt in Verhandlungen

Auch, wenn Sie sich in einem Verkaufsgespräch befinden, wirkt die Ankerheuristik – und zwar völlig unabhängig davon, ob Sie das möchten oder nicht. Der Mensch kann sich dem Anchoring nicht entziehen.

Es ist deshalb sinnvoll, sich den Ankereffekt schon vorher bewusst zu machen und genau zu überlegen, wie Sie ihn am besten einsetzen möchten. So können Sie das Priming steuern und verhindern, dass der Zufall ungünstige Anker setzt. Denken Sie daran: Wer als erstes einen Anker setzt, bestimmt die Richtung des weiteren Gespräches im Allgemeinen und der Vertragsverhandlungen im Besonderen.


Anker richtig setzen: 5 Tipps für erfolgreiches Anchoring

Für den Vertrieb gibt es unzählige Möglichkeiten, die Ankerheuristik in die Praxis zu übertragen. Werden Sie kreativ und probieren Sie verschiedene Strategien aus! Für den Anfang können Sie sich an diesen erprobten Taktiken orientieren:

1. Pakete und Abos anbieten

Durch Pakete und Abonnements können Sie Ihren Umsatz erheblich steigern. Eine gängige Methode ist zum Beispiel, eine monatliche Gebühr neben ein Jahresabo zu stellen. Buchen Kundinnen und Kunden gleich für ein ganzes Jahr, bekommen sie einen kleinen Preisnachlass. Wichtig ist, dass Sie beide Preise explizit ausweisen, damit den Kundinnen und Kunden die Ersparnis sofort bewusst wird.

Wenn Sie physische Produkte anbieten, können Sie den Ankereffekt nutzen, indem Sie Pakete schnüren. Je größer das Paket, desto kleiner wird der Preis pro Stück. Dieses Vorgehen lässt sich beispielsweise bei Druckereien beobachten. In einem Paket mit 500 Flyern kostet das Stück vielleicht 1,50 Euro, in einem Paket mit 5.000 Flyern nur noch 1,20 Euro.

2. Produktpalette zur geschickten Präsentation nutzen

Um einen hohen Anker zu setzen, können Sie auch auf Ihre eigene Produktpalette zurückgreifen und auf die unbewusste Suggestion beim Kunden setzen. Bieten Sie drei Optionen an: eine günstige, eine mittlere und eine teure. Das teure Angebot setzt den Anker. Das mittlere Angebot scheint dadurch attraktiver und wird eher gekauft.

3. Rabatte wirkungsvoll einbinden

Rabatte sind eine tolle Möglichkeit, potenzielle Kunden zum Kauf zu motivieren. Achten Sie dabei jedoch darauf, wie Sie den Discount darstellen. Bei Produkten, die weniger als 100 Euro kosten, ist eine Angabe in Prozent sinnvoll. Wenn der Preis zum Beispiel von 50 auf 40 Euro sinkt, sind das 20 Prozent Nachlass. Das klingt besser als 10 Euro.

Wenn Ihr Angebot einen hohen Preis hat, sollten Sie Rabatte lieber in absoluten Zahlen beziffern. Sinkt der Preis von 5.000 auf 4.000 Euro, sind das immer noch 20 Prozent Discount. „Sparen Sie 1.000 Euro” wirkt aber deutlich attraktiver.

Um den Anker bestmöglich zu platzieren, sollten Sie im Verkaufsgespräch erst den Originalpreis nennen und danach die Vergünstigung.

4. Preissteigerungen in mehreren Schritten vollziehen

Stehen bei Ihnen Preiserhöhungen ins Haus und Sie haben die Aufgabe, Stammkunden davon zu überzeugen? Versuchen Sie, die Preise sukzessive in kleinen Schritten zu steigern. Dann wird jedes Mal der vorherige Preis als Anker gesehen. Für die Kundinnen und Kunden ist es eher akzeptabel, fünfmal 50 Euro mehr zu zahlen als mit einem Schlag 250 Euro.

5. Unique Selling Propositions (USP) nutzen

Nicht nur Sie setzen Anker: Auch Ihre Konkurrenz tut es. Wenn Sie ein Produkt anbieten, das teurer ist als am Markt üblich, kann das zum Problem werden.

Schauen Sie zum Beispiel auf die Kaffeekette Starbucks. Ein Kaffee dort kostet schnell zwischen 5 und 6 Euro und damit deutlich mehr als in der Bäckerei nebenan – und dennoch stehen die Menschen Schlange.

Das Geheimnis sind die Unique Selling Propositions von Starbucks. Das Unternehmen bietet nicht einfach nur Kaffee an, sondern Iced Caramel Macchiato und andere Kreationen, die es nirgendwo anders gibt. Es verkauft nicht nur ein Getränk, sondern ein Lebensgefühl.

Überlegen Sie vor Verhandlungssituationen , wie Sie diesen Effekt für sich nutzen können. Was macht Ihr Angebot besonders? Wodurch hebt es sich von anderen so sehr ab, dass der Preis trotz Anker Ihrer Konkurrenz gerechtfertigt scheint?


Fazit: Dank der Ankerheuristik leichter verkaufen

Der Ankereffekt kann Ihnen helfen, Ihr Angebot im Vertriebsgespräch geschickt zu präsentieren und Ihre Chancen auf einen Abschluss zu steigern. Da sich niemand der Ankerheuristik erwehren kann, ist dieser Trick eine sichere Bank für Sie.

Allerdings täuscht auch der schönste Anker nicht über ein schlechtes Produkt hinweg. Voraussetzung für Ihren vertrieblichen Erfolg bleibt also bei aller Psychologie, dass Ihr Angebot einen deutlichen Mehrwert für die Kundinnen und Kunden hat.

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